Mit Tom Brandstetter kam die Wende
Mühldorf – “Ich bin neutral! Ich fiebere mit beiden Jugs mit”, Moni Brandstetter war am Samstagabend hin-und hergerissen. Alex, der jüngere ihrer beiden Söhne, als Zuspieler im Grafinger Team, Thomas, der Ältere, als Außenangreifer in Mühldorf. Es war am Ende ein offener Schlagabtausch im Oberbayern-Derby vor knapp 400 Zuschauern in der NUTZ-Arena. Und das bis zum Ende der Partie, die Mühldorf für sich entscheiden konnte. Grenzenlos der Jubel beim Zweitliga-Heimspiel der Mühldorfer, die einen 0:2-Rückstand zum 3:2-Sieg (18:25/20:25/25:22/25:23/15:13) umdrehten.
Die Mühldorfer hatten einen klassischen Fehlstart in der Mittelschulturnhalle hingelegt. Ein glänzend aufgelegter Alex Brandstetter konnte, basierend auf eine glänzende Annahme, vor allem von Libero Korbian Hess, ein variantenreiches und vor allem schnelles Zuspiel aufziehen. Sein Diagonalangreifer Juro Petrusic (1,97 Meter) wuchtete den Mühldorfern nach Belieben den Ball um die Ohren. Simon Gürzing (1,97 Meter), der spätere MVP, und 2,05-Meter-Hüne Florian Drescher setzten sich viel zu oft über die Mitte durch. Und dann gab es ja auch noch die beiden Außen, Janik Sambale mit seinem erstklassigen Aufschlag und Simon Miller, die dem Mühldorfer Block arg zusetzten. Es war schnell klar: Chefcoach Heiko Roth hatte die Grafinger Jungs optimal auf den Spieltag eingestellt. Nur 19 Minuten brauchten die Gäste aus dem Landkreis Ebersberg, um Satz eins zu dominieren (25:18), immerhin zwei Punkte mehr überließen die Grafinger den Innstädtern in Durchgang zwei (25:20), der immerhin 21 Minuten gedauert hatte.
Mühldorfs Chefcoach Alejandro Kolevich hatte zwar munter rumprobiert, Felix Schinko mit seinem Diagonalen Hansi Kessler zuspielen lassen, um im Verlauf im Doppelwechsel Fabian Wagner und David Fecko zu bringen, im zweiten Durchgang dann auch andersrum beginnen lassen. Doch die Dominanz Grafings war nicht zu brechen. Die Einwechslung von Tom Brandstetter für Kilian Nennhuber beim 14:20 im ersten Satz: wirkungslos.
Dann die Zehn-Minuten-Pause. Und die Zuschauer in der Halle erlebten plötzlich ein ganz anderes Spiel. “Wir hatten das Spiel eigentlich im Sack!”, ärgerte sich Trainer Roth nach der Partie, “Mein Team hat einfach aufgehört zu spielen” Oder aber Mühldorf hat einfach zu spielen begonnen: Kolevich hatte dann beim Stand von 11:11 den an diesem Tag etwas glücklosen Kilian Nennhuber durch Tom Brandstetter ersetzt und schon setzte sich die Punktemaschinerie in Mühldorf in Gang. Brandstetter agierte clever am Netz, touchierte den Block, schlug diesen geschickt an, dass der Ball danach im Aus landete. Jeden Punkt bejubelte der Außenangreifer der Mühldorfer wie einen Matchball.
Fabian Bartsch steigerte sich von Punkt zu Punkt, hatte selbst gegen die Drei-Mann-Blocks der Grafinger keinen Respekt. In der Mitte haute Moritz Schreiber regelmäßig einen rein und Xander Mühlbauer tauchte in der Annahme und in der Abwehr einiges raus. Bis zum 12:13 schien Grafing dem Sieg näher als Mühldorf. Dann aber schlichen sich Fehlaufschläge ein, Mühldorf blockte aggressiv und konnte sich einen komfortablen Vorsprung zum 23:19 herausarbeiten. Da konnte dann auch nichts mehr schief gehen, nachdem auch Mühldorfs Diagonaler Hansi Kessler immer besser in Schwung kam (25:22).
Der vierte Durchgang war nicht minder spannend. Beide Teams waren immer auf Augenhöhe. David Fecko war trotz seines geschwollenen Knöchels bereits beim 7:7 für Moritz Schreiber im Mittelblock gekommen, stabilisierte damit den Mühldorfer Block. Beim 16:16 drehte dann aber Fabian Bartsch am Aufschlag auf, Mühldorf konnte sich auf 19:16 und 21:18 absetzen. Da waren Alex Brandstetter und Juro Petrusic aber schon raus aus dem Spiel, Roth hatte per Doppelwechsel auf Tim Aust im Zuspiel und auf Michael Zierhut in der Diagonalen gesetzt. Austs Aufschläge und sein Zuspiel sowie Zierhuts Angriffe auf der Vier und auf der Zwei brachten die Grafinger dann tatsächlich wieder ran (21:21) und sorgte sogar die 23:22-Führung. Kolevich nahm folgerichtig eine Auszeit, idanach gleich der direkte Punkt von Mittelblocker Coonor Finnie für Mühldorf. Wieder brachte Mühldorfs Coach Fabian Wagner zum Aufschlag, diesmal für Finnie. Ein Glücksgriff: Denn nach seinen Float folgte der Killblock von Felix Schinko gegen den angreifenden Janik Sambale. Den nächsten Angriff hatte Tom Brandstetter sicher in der Abwehr, Fabian Bartsch erfüllte sich dann anschließend mit einem überlegten Angriff sein eigenes Geburtstagsgeschenk zum 25:23.
“Never change a winning team”, dachte sich dann wohl Kolevich und ließ die Mühldorfer im Entscheidungssatz unverändert auflaufen, während Roth wieder auf Brandstetter für Aust im Zuspiel setzte. Das Spiel wurde immer schneller, beide Teams schenkten sich nichts bis zum 8:8. Dann versemmelte erst Sambale seinen Angriff, danach Petrusic zwei Mal hintereinander (11:8). Mühldorf sagte Danke zum Vorsprung, den die Heimmannschaft bis zum Schluss tapfer verteidigte. Jedes Team brachte sein Side-Out durch, und das reichte Mühldorf zum Sieg (15:13).
Ein wichtiger Erfolg: Denn da sich Mühldorf und Grafing die Punkte aufteilen (zwei für Mühldorf und einer für Grafing), kann sich Mühldorf etwas Luft zu den Verfolgern aus Oberbayern verschaffen. Das Kolevich-Team rangiert nun nach fünf Siegen in neun Spielen auf Rang sieben, Grafing bleibt mit drei Siegen in neun Spielen auf Platz zehn. Und nachdem es die Brandstetter-Festspiele waren, wenn auch beide Brüder nicht im selben Team agierten, so gab es als i-Tüpfelchen auch noch einen MVP-Team für einen der Brüder. Tom Brandstetter wurde diese Ehre von Grafings Coach Roth zuteil.